Joh. Wilh. Hertel: Der sterbende Heiland

Obgleich als „Passionskantate“ überschrieben, handelt es sich doch eher um ein umfangreiches Passions-Oratorium. Als Schüler Carl Heinrich Grauns komponierte Hertel ganz im empfindsamen Stil. Die Passionsgeschichte wird in freier Dichtung erzählt und auf ihre affektstärksten Momente wie Gebet und Gefangennahme im Garten Gethsemane, Verrat und Reue des Petrus, Geißelung, Kreuzigung und Tod reduziert. Die lyrische Ich-Form des Textes spiegelt das Bestreben, die Hörer durch die Vergegenwärtigung der Passionsereignisse zu Glauben und Buße zu führen.

Das Werk wurde erstmals am Karfreitag des Jahres 1764 als früheste von insgesamt zehn großen geistlichen Kantaten, die Hertel für das Mecklenburg-Schweriner Fürstenhaus komponierte, in Schwerin aufgeführt.

Den Kompositionsauftrag erhielt Hertel im Jahre 1763 vom jüngeren Bruder des Herzogs, dem Prinzen Ludwig (1725–1778). Der Text stammt von Johann Friedrich Löwen (1727–1771). Löwen wirkte als Dichter und Theaterpublizist, war Mitbegründer des Deutschen Nationaltheaters in Hamburg (1767) und enger Weggefährte Gotthold Ephraim Lessings. Aus finanziellen Gründen hatte er 1757 die Sekretärstätigkeit bei Prinz Ludwig aufgenommen.